Unsere Finca liegt im Amazonastiefland Ecuadors, in der Ortschaft “Amazonas”, einen halben Kilometer südlich des Äquators. Nicht weit von hier haben wir von 1990-93 in einem Entwicklungshilfe-Projekt gearbeitet. In dieser Zeit lernten wir auch den Mechanismus des Rohkaffee-Marktes kennen:
Bauern verkaufen getrocknete oder frische Kaffeekirschen an einen Zwischenhändler. In dem warmfeuchten Klima können die Bauern den Kaffee nicht lagern, sie müssen sofort und zu egal welchem Preis verkaufen. Qualität ist den Händlern unwichtig, Geschmack spielt überhaupt keine Rolle, nur billig muss es sein. Also muss der Bauer mehr und billiger produzieren. Dass für einen miserablen Kaffee der Regenwald zerstört wird, kann doch nicht im Sinne echter Kaffee-GenießerInnen sein, dachten wir uns.
Von "daheim" wissen wir, dass es auch anders geht. Schon als Studenten in Graz kauften wir am Bauernmarkt. In unserer Familie gibt's schließlich etliche Bauern und es ist klar, dass man gute Qualität am besten direkt an der Quelle bekommt. Es gibt wohl mehr Menschen, die so denken. Selbst in Supermärkten findet man immer mehr Lebensmittel, die bis zum Landwirt zurückverfolgt werden können. Das müsste doch auch für Produkte aus den Tropen möglich sein, oder nicht?
Das ist die Grundidee des kanwan-Projektes, das wir kurz nach unserer Übersiedlung nach Kolumbien 2013 starteten. Wir suchten Bauern, die außergewöhnlich guten Kaffee produzieren. Von ihnen kaufen wir ungeschälten Rohkaffee, lassen ihn bei kleinen Betrieben in der Nähe verarbeiten und verpacken und verschiffen ihn nach Österreich. So bekommen Kaffee-LiebhaberInnen eine außergewöhnliche und seltene Qualität, und haben außerdem direkten Einfluss auf die Art und Weise, wie der Kaffee angebaut und verarbeitet wird. Etliche KundInnen haben auch schon eine der Kaffeefincas besucht und sich persönlich von der “sozialen Qualität” und der Nachhaltigkeit des Anbaus überzeugt.
Die Idee, auf die “alten Tage” in die Gegend unseres Entwicklungshilfe-Einsatzes zurückzukehren, existiert schon lange. 2009 kauften wir die Finca in der Ortschaft Amazonas. Es war Liebe auf den ersten Blick - für dieses Stück Land mit Urwald, kleinen Kaffee- und Kakaopflanzungen und zwei Bächen, die die hügelige Landschaft durchziehen. Nach einem Namen brauchten wir nicht lange suchen. “Kuss Amazoniens” nennt man die Blüte von Psychotria poeppigiana; das erschien uns der passende Name für unser kleines Paradies. Nur etwa 15% der Fläche sind mit Kakao, Kaffee, Zitrusfrüchten, Guaven, Bananen, Annatto usw. bepflanzt. Wir praktizieren - und lernen - naturnahe Landwirtschaft und wollen unseren Lieferanten in der Nachbarschaft zeigen, dass man mit hoher Qualität und ökologischer Landwirtschaft gute KundInnen finden kann.
Unsere UnterstützerInnen können dieses kleine Paradies besuchen, in den sauberen Bächen schwimmen und die Affen, Papageien, Tukane, Schmetterlinge usw. bewundern, die hier leben.
Wir kultivieren hauptsächlich Früchte, die hier beheimatet sind, wie Edelkakao, Papaya, Annatto ..,, Es gibt aber auch Bananen und Kaffee. Bis 2018 konnten wir nur die Ferien auf der Finca verbringen und ein paar Kostproben nach Österreich bringen. Erst ab 2019 bin ich Vollzeit-Landwirt und kann die Sträucher und Bäume besser pflegen und die Qualität der Produkte steigern.
Und wir testen neue Möglichkeiten der Verarbeitung. Das Grundproblem in den feuchten Tropen ist die schnelle Verderblichkeit und die schlechte Transportfähigkeit der meisten tropischen Früchte. So verdirbt oft ein beträchtlicher Teil der Ernte, nicht nur zum Schaden der Bauern, sondern auch der Umwelt.
Unsere KundInnen haben uns ermutigt, getrocknete Bananenscheiben ins Programm zu nehmen. Also besorgten wir eine geeignete Trockenmaschine und erledigten die Zulassung zur Lebensmittelerzeugung. Sowohl die Bananenscheiben als auch das Verfahren sind absolut neuartig im ecuadorianischen Amazonastiefland. Entsprechend groß ist das Interesse der Bauern der Region. Auch die Freude unserer ersten Mitarbeiterin ist groß, sind doch dauerhafte Arbeitsplätze extrem dünn gesät.
Wir wollen aber auch zeigen: Es gibt eine Alternative zum zerstörerischen und hochgiftigen Bananenanbau in Monokulturen! (Filmtipp: https://youtu.be/tAyJH9Cyt3w ) Unsere Bananenstauden wachsen zwischen Kaffee, Kakao, Annatto, Maniok, verschiedenen Frucht- und Holzbäumen sowie zahlreichen Wildpflanzen. Wir betreiben Permakultur, in Anlehnung an die Waldgärten der Indigenas in der Nachbarschaft. Die Pflanzen danken es uns mit einem unvergleichlichen Geschmack und einem geringen Pflegeaufwand.
Auch in der Weiterverarbeitung achten wir auf Gesundheit, Umwelt und Klima. Unsere Produkte werden nicht geschwefelt noch sonst chemisch behandelt. Unser Trockengerät ist das energie-effizienteste am Markt und wird außerdem mit Solarstrom betrieben.
Für alle, die noch mehr lesen wollen, wie es uns mit dem Leben und der Landwirtschaft im Dschungel geht, habe ich ein kleines e-Book geschrieben: www.epubli.de//shop/buch/Dschungel-lieben-lernen-Johannes-Wagenknecht-9783746765174/78911